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SAS und die MD-95

Die MD-95 im klassischen Farbkleid der SAS/Courtesy: MD-80.com
Die MD-95 im klassischen Farbkleid der SAS/Courtesy: MD-80.com

In der kritischen Phase des MD-95-Programmsstarts existierten große und berechtigte Hoffnungen, Scandinavian Airlines als Erstkunden für den neuen 106-Sitzer zu gewinnen. Die im März 1995 gefällte Entscheidung der SAS zugunsten der Boeing 737-600 verzögerte rückblickend nicht nur den Programmstart der MD-95, sondern führte möglicherweise auch zu einer unvorteilhaften Signalwirkung innerhalb der Luftfahrtindustrie mit noch weiter wachsender Skepsis, ob McDonnell Douglas weiterhin am Bau von zivilen Flugzeugen festhalten würden.

 

Bei meinen Recherchen über dieses Thema fällt grundsätzlich einerseits die insgesamt geringe Anzahl an Informationen SAS <> MD-95 auf, andererseits aber „wichtige“ Falschinformationen, die sich als allgemeingültig durchgesetzt haben.

Skandinavische Frische!/Postkarte
Skandinavische Frische!/Postkarte

SAS Anfang der 1990er Jahre

SAS gehörten zu den loyalsten Kunden von McDonnell Douglas und setzten im Kurz- und Mittelstreckenbereich primär auf Schmalrumpfflugzeuge von McDonnell Douglas. Die langjährige Zusammenarbeit begann in diesem Bereich mit der Einführung der Douglas DC-9 und der Entwicklung der DC-9-20 und DC-9-40 speziell auf die Bedürfnisse der SAS. Selbst nach Einführung der ersten MD-80 ab Ende 1985 wurde weiterhin eine sehr große DC-9-Flotte eingesetzt und SAS entwickelten sich zu einer viel beachteten Fluggesellschaft mit Fokus auf Service, ein respektables Streckennetz mit attraktiver Frequenz. In der zweiten Hälfte der 1980er bauten SAS konsequent ihre MD-80-Flotte aus – eine Großbestellung für bis zu 61 MD-80 im Jahre 1988 sollte die Weichen für die 1990er stellen und ursprünglich möglicherweise auch bis Mitte der 1990er die Ausmusterung der DC-9-Flotte ermöglichen. Tatsächlich ersetzten 110-sitzige MD-87 einen Teil der DC-9-41-Flotte und die verkürzte Version der MD-80-Serie wurde gemeinsam mit der weitaus größeren Flotte größerer MD-80-Varianten intensiv eingesetzt. Im Langstreckenverkehr konzentrierten sich SAS auf die Boeing 767, die den Ersatz der DC-10 ermöglichten.

SAS auf der Suche

Fluggesellschaften wie SAS evaluieren mehr oder weniger unabhängig von der wirtschaftlichen Marksituation ihre Flottenstrukturen und mögliche Anpassungen bzw. Erneuerungen. Es zeigte sich einerseits, dass SAS offiziell keine Probleme sahen, relativ alte DC-9 weiterhin einzusetzen, andererseits sollten Weichen für eine Flotte nach 2000 gestellt werden. Pläne für innovative Flugzeuge und möglichem Einsatz von UHB-Flugzeugen wurden nicht umgesetzt. Zusätzlich kam es Anfang der 1990er zu massiven Umsatzeinbußen und einbrechenden Märkten durch die „Golfkrise“. Unternehmen wie SAS passten sich veränderten Marktbedingungen an und stellten Flottenerneuerungen zurück. In dieser Phase wurden Bestellungen und Optionen für zusätzliche MD-80 storniert und der Flugbetrieb gestrafft. Ungeachtet dessen untersuchten SAS nach vorliegenden Informationen in dieser Phase diverse Flugzeugtypen als potentiellen Ersatz der DC-9. Erwähnt wurden in der Fachpresse die Avroliner/BAe 146, die Boeing 737 und die Fokker 100. British Aerospace fertigten gar eine Broschüre für SAS an, die die BAe 146-Familie als idealen Ersatz der DC-9-20/-40 bewarb. Ähnlich haben sehr wahrscheinlich auch die Hersteller Boeing und Fokker gehandelt. Die Integration der schwedischen Fluggesellschaft Linjeflyg erhöhte bei beiden eben genannten Herstellern die Chancen auf einen Auftrag, da Linjeflyg ein profilierter Fokker F28-Betreiber waren und diese Flotte durch Boeing 737-500 ergänzt wurden. In der Tat äußerten sich SAS nach der Integration der Linjeflyg sehr positiv über die Flugeigenschaften der 737-500.

MD-95 mit damals noch schmaleren Triebwerken (alternativ zum BR715)/Courtesy: SAS/Viking256
MD-95 mit damals noch schmaleren Triebwerken (alternativ zum BR715)/Courtesy: SAS/Viking256

Die MD-95 im Fokus der SAS

Im Juli 1994 bestätigten SAS, dass man die Avro RJ in Konkurrenz zur Fokker 100 und MD-95 evaluieren würde.

 

Im August 1994 erlaubte die Geschäftsführung von McDonnell Douglas der Zivilsparte „Douglas Aircraft“, formell der SAS und dem Leasingunternehmen die MD-95 anzubieten. Presseberichte bestätigten, dass ein Auftrag über 35 MD-95 von SAS und eine identische Anzahl von bestellten Flugzeugen von ILFC ausreichend für den Programmstart sein würden. Erste Auslieferungen sollten ab 1998 beginnen und der Hersteller sprach damals von einer Gesamtnachfrage von "300 bis 500 MD-95". Zu diesem Zeitpunkt stand schon fest, dass das BMW Rolls-Royce BR715 die MD-95 exklusiv antreiben würde, aber eine finale Entscheidung würde vom Erstkunden abhängen und die Triebwerkswahl des Erstkunden wäre dann verbindlich.

Douglas DC-9-41/Courtesy:SAS
Douglas DC-9-41/Courtesy:SAS

Eine Entscheidung von SAS für einen neuen Flugzeugtyp wurde alleine durch die Pläne des Flughafen Oslo-Fornebu zusätzlich forciert, da die norwegischen Behörden ein Verbot von DC-9 (und Fokker F28)-Flügen vor 8 Uhr und nach 18 Uhr ab 1995 umsetzen wollten. SAS und andere Fluggesellschaften legten Proteste ein und drohten mit herben Konsequenzen und deshalb wurde das geplante Verbot verschoben. Gleichzeitig arbeiteten SAS an Möglichkeiten, die Lärmemission der DC-9 zu reduzieren. 

Der Druck auf Douglas Aircraft war groß, da diverse Unternehmen ungeduldig wurden und hier wurde SAS mit den Worten zitiert, dass„man sich andere Flugzeuge anschauen würde, wenn das (MD-95)-Programm nicht dieses Jahr (1994) startet“. Hinter den Kulissen gab es sehr wahrscheinlich recht intensive Gespräche zwischen dem Hersteller und SAS, mit dem Ergebnis, dass die MD-95 (und somit Boeing 717) letztlich sehr stark auf die Bedürfnisse der SAS zugeschnitten wurde. Dazu gehörte u.a. eine eher konventionelle Cockpit-Avionik basierend auf dem Standard der MD-80-Serie und die Beibehaltung von vielen Details der MD-80. Dadurch sollte sicher gestellt werden, dass eine hohe Systemgleichheit zwischen der MD-80 und MD-95 gepflegt werden könnte und Piloten möglicherweise mit identischem Rating beide Muster fliegen könnten. Schon in dieser Phase wurde eine Rumpfstreckung um 1,45 m auf die dann bekannten 37,81 m umgesetzt. Diese Verlängerung machte Ballast im Bugbereich überflüssig, der aufgrund der relativ schweren Triebwerke notwendig gewesen wäre.  Die Rumpfstreckung erhöhte die Standardkapazität von 99 auf 106 Sitzplätze in zwei Serviceklassen. Da SAS eine sehr große MD-80-Flotte einsetzten und auch Kunde für die MD-90 waren, waren die Voraussetzungen für eine Entscheidung zugunsten der MD-95 in mehrfacher Hinsicht gegeben. SAS hätten nach damaliger Planung ab 1998 den Ersatz ihrer DC-9-Flotte einleiten können, die dann bis ca. 2002 die Flotte verlassen hätten. Die MD-80/-90-Flotte hätte weiterhin das Segment oberhalb der MD-95 abgedeckt, während man die Airbus A321 für aufkommensstarke Routen als ideal betrachtete. Die langjährige und sehr erfolgreiche Verbindung zwischen Douglas und SAS wäre fortgesetzt worden.

--> Fortsetzung: "SAS und die Boeing 737-600"

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