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Das JT8D-200 bietet eine Schubumkehr, die eine zügige Reduzierung der Geschwindigkeit beim Landevorgang und nach dem Aufsetzen erlaubt. Verwendet wird eine Mechanik, die als "clamshell-type" bezeichnet wird. Hierbei richten sich hydraulisch zwei schalenförmige Metallschaufeln im hinteren Teil eines Triebwerks auf und lenken den Abgasstrahl (Schub) schräg nach vorne. Die Schubumkehr dient bei der MD-80 ausschließlich für das Abbremsen nach einer Landung und kann im Leerlauf auch für das Zurückrollen genutzt werden. Eine Aktivierung für das Erzielen einer hohen Sinkrate im Flug (wie zum Beispiel bei den inneren Triebwerken einer DC-8 erlaubt), ist nicht zugelassen.
Die Bedienung der Schubumkehr erfolgt über Schubumkehrhebel, die sehr bewusst eine separat zu bedienende Einheit mit den Schubhebeln bilden.
Die Schubumkehrhebel können nur in den Schubumkehrmodus geschoben werden, wenn sich die Schubhebel im Leerlaufposition befinden. Die Schubumkehrhebel müssen bei der Aktivierung noch ein Stück nach hinten gezogen werden, damit Sicherungen gegen das ungewollte Öffnen der Schubumkehrschaufeln entsichert werden. Erst dann öffnen sich die Schubumkehrschaufeln und ein Cockpitmitglied kann dann in Kombination mit den Schubhebeln und der Schubumkehrhebel den Schub erhöhen und dadurch die Stärke der Schubumkehr dosieren. Die Zeit zwischen Aktivierung der Schubumkehr und vollem Öffnen der Schubumkehrschaufeln beträgt ca. zwei Sekunden. Jede Schubumkehr wird über ihr separat gespeistes Hydrauliksystem versorgt.
Beim Nutzung der Schubumkehr ohne zusätzliche Schubleistung/im Leerlauf (idle thrust) verweisen die meisten Quellen darauf, dass die Schubumkehrhebel zügig nach hinten gezogen werden sollen, damit die Sicherungsventile gegen das unbeabsichtigte Öffnen der Schubumkehrschaufeln entsichert werden. Danach werden diese Hebel in die Vertiefung („dent“) bewegt, die dem Leerlaufschub entspricht. Der EPR-Druck (Druckverhältnis der vom Kompressor angesaugten zur von der Turbine ausgestoßenen Luft) soll sich hier im Bereich 1.05 bis 1.10 bewegen.
Wird eine Aktivierung der Schubumkehr mit mehr Umkehrschub gewünscht, so kann dann zusammen mit den Schubhebeln die Schubleistung (und somit der Umkehrschub) erhöht werden. Der EPR-Wert darf 1.6 nicht überschreiten.
Im Normalfall resultiert die Nutzung der Schubumkehr in einer zügigen Reduzierung der Landerollgeschwindigkeit und der daraus resultierenden Verkürzung der Landerollstrecke.
Ab einer Geschwindigkeit von 80 Knoten soll die Schubumkehr wieder auf Leerlaufschub bewegt und unterhalb von 60 Knoten nur noch Leerlaufschub genutzt werden.
Die Aktivierung der Schubumkehr ist in allen Flugphasen theoretisch möglich, es existiert keine Sicherung vor dem manuellen Auslösen der Schubumkehr. Empfohlen wird den Piloten von den meisten Nutzern, die Schubumkehr erst zu aktivieren, wenn das Bugfahrwerk Bodenkontakt hat. Alternativ wird auch die Auslösung der Schubumkehr umgesetzt, sobald das Hauptfahrwerk Bodenkontakt hat und der Anstellwinkel des Flugzeugs 8° nicht überschreitet. Diese Prozedur erhöht aber das Risiko, dass bei einem zu hohen Anstellwinkel die Schubumkehrschaufeln Bodenkontakt erleiden (nicht der Heckkonus!) und es dann zwangsläufig zu schweren Beschädigungen kommen kann. Wieder andere Verfahren empfehlen eine Aktivierung, während sich das Bugfahrwerk senkt und nachdem das Hauptfahrwerk Bodenkontakt erhalten hat.
Eine gängige Praxis scheint es zu sein, dass MD-80-Piloten nach dem Aufsetzen mit dem Hauptfahrwerk „so schnell wie möglich, aber eben angenehm für die Fluggäste" die Bugnase senken und erst nach Berühren des Bugfahrwerks mit der Piste die Aktivierung der Schubumkehr umsetzen.
Unter Umständen kann die Schubumkehr auch einen negativen Effekt auf die Luftströmung um das Leitwerk herum erzeugen. Dazu kann die Reduzierung der Luftströmung um die Leitwerksflächen durch den umgelenkten Schub, Verwirbelungen durch den Umkehrschub oder gar eine Unterbrechung der Luftströmung gehören.
Gerade auf rutschigen Pisten mit großer Seitenwindkomponente und instabiler Beibehaltung der Flugrichtung ist diese Charakteristik zu beachten. Darum empfehlen mehrheitlich die Betriebshandbücher MD-80-Besatzungen, die Schubumkehr auf einen EPR-Wert von 1.3 hochzufahren (und somit 0.3 EPR niedriger als der maximal erlaubte Wert). Dies maximiert die Wirkung der Leitwerksruder und unterstützt eine bessere Stabilität der Eigenbewegungen des Flugzeugs auf einer rutschigen Piste. Die Verlängerung der erforderlichen Landedistanz ist nicht signifikant, ausgenommen auf extrem rutschigen Pisten mit sehr schlechter Bremswirkung.
Das Abbremsen einer MD-80 auf eine normale Rollgeschwindigkeit wird nicht alleine durch die Schubumkehr ermöglicht. Es ist eine Kombination aus aktivierten Luftbremsen, Fahrwerksbremsen und der Schubumkehr, die zum gewünschten Effekt führen. Aus Gründen des Lärmschutzes ist auf immer mehr Flughäfen mit ausreichend langen Landebahnen die Aktivierung der Schubumkehr nicht erwünscht oder nur im Leerlauf erlaubt. Die Nichtnutzung einer hochgefahrenen Schubumkehr bedeutet eine enorme Reduzierung des Triebwerkslärms und schont Triebwerke wie Struktur.