Zurück zur "Finnair MD-80-Flottenübersicht"
Ab 1993 bis 1995 gab es bei und um Finnair eine hitzige Diskussion über einen möglichen und radikalen Flottenwechsel - weg von McDonnell Douglas, hin zu Boeing oder in späteren Phasen Airbus. Die genauen Umstände sind mir nicht bekannt und es ist für mich auch recht schwer, verifizierbare Informationen zu sammeln. Ganz grob darf man annehmen, dass es zwei Phasen gab, bis man sich aus verschiedenen Gründen für eine Erweiterung der MD-80-Flotte als Ersatz der Douglas DC-9-40-Flotte und teilweisen Ersatz der DC-9-50-Flotte entschied.
Die erste bekannte Phase wurde offiziell im Frühjahr 1993 gewesen sein, denn Finnair trat offiziell mit Boeing und ILFC in Verhandlungen, die den gesamten Ersatz ihrer eingesetzten Flotte durch 30 (der noch neu zu entwickelnden) Boeing 737-X und sechs Boeing 767 vorsah. Finnair begründete diese Verhandlungen u.a. durch folgende Faktoren:
Es sollte um also bis zu 36 Flugzeuge von Boeing gehen: 30 der neu zu entwickelnden Boeing 737-X (der späteren Boeing 737NG) und sechs Boeing 767, wahrscheinlich die Version 767-300ER. Diese sehr gestraffte Flottenkombination hätte höchst wahrscheinlich nicht nur den Austausch der DC-9/MD-80-Flotte eingeleitet, sondern auch den Abschied der MD-11-Flotte forciert. Je nach Szenario gab es Spekulationen, dass Finnair bei dem Flottenwechsel auch die MD-11 ersetzen würde, während es (1994?) aber auch Meldungen gab, dass Finnair den Ersatz der DC-9/MD-80 diskutieren, die MD-11 aber nicht ersetzen wolle.
Rückblickend darf man die damalige Phase bei Finnair als Versuch einer strategischen Neuauslegung der gesamten Flottenstrategie sehen, die unter den damaligen Umständen beurteilt werden sollte und nicht mit heutigen Geflogenheiten vergleichbar ist. Finnair - als langjähriger und loyaler Kunde von McDonnell Douglas und entscheidender Einflussnahme bei den Modellen MD-83, MD-87 und MD-11 war einerseits offiziell wie auch intern mit den Produkten von McDonnell Douglas zufrieden, wobei das Risiko als früher Betreiber der MD-83 und MD-87 durch die Einsatzerfahrung der MD-82 als eher gering einzustufen war, während die Einführung der MD-11 sich trotz einer gewissen Ähnlichkeit mit der DC-10 als erheblich problematischer gestaltete und durch bekannte Nichterfüllung von garantierten Werten die MD-11 bei Finnair möglicherweise bis zu drei Jahre (also bis ca. 1993/94) brauchte, bis das moderne Nachfolgemuster der DC-10 tatsächlich die Erwartungen von Finnair offiziell erfüllte und Finnair sich "zufrieden" zeigte.
Insgesamt darf man annehmen, dass Finnair durch ihre langjährige Einsatzerfahrung mit Flugzeugtypen von McDonnell Douglas höchst wahrscheinlich kontinuierlich auf Basis der Erfahrungen die für sie beste Flottenstruktur aufbaute, die sich bekanntlich nahezu ausschließlich aus Flugzeugtypen des Herstellers McDonnell Douglas zusammensetzte. In bestimmten "Schlüsselmomenten" entschied sich Finnair aus finanziell-wirtschaftlichen Erwägungen sowie strategisch operationellen Erfahrungswerten eindeutig für McDonnell Douglas. Diese "Momente" waren historisch gesehen die Entscheidung zugunsten der DC-9-50, die Einführung weiterer DC-9 in Form von gebrauchten Flugzeugen der Version -41, die Entscheidung für die Annahme eines Angebots von McDonnell Douglas für die Übernahme von MD-82, die Entscheidung von Finnair für die MD-83 als bevorzugtes Fluggerät für Charterflüge und Inlandrouten mit hohem Bedarf an Nutzlast. Auch die Entscheidung für bis zu acht MD-87 darf als Zeichen für die damalige hohe Zufriedenheit für die DC-9/MD-80 bei Finnair gewertet werden, wobei Finnair bekanntlich nur drei MD-87 tatsächlich übernahm und weitere fabrikneue MD-80 nur noch die Varianten MD-82 und MD-83 beinhaltete. Auch die strategische Entscheidung zugunsten der MD-11 darf als positives Signal auf die Einsatzerfahrung der DC-10 gesehen werden.
Das Vorhaben eines vollständigen Herstellerwechsels scheiterte offiziell an mehreren Faktoren. Es waren wirtschaftliche Überlegungen einerseits, aber auch ein vorläufiges Veto der finnische Regierung andererseits, die erwartete, daß Finnair erst (wieder) profitabel operieren sollte, bevor ein solcher Flottenwechsel finanziert werden sollte.
Auch war deutlich, daß die technische Abteilung von Finnair sich tendenziell eher für den weiteren Betrieb von McDonnell Douglas-Flugzeugen aussprach und so zum Beispiel das "DC-9-X"-Programm von McDonnell Douglas favorisierte, welches vorsah, bestehende DC-9 durch technische Modifikationen derart aufzurüsten, so daß ein weiterer Einsatz von mindestens 15 bis 20 Jahren wirtschaftlich vertretbar gewesen wäre. Nach Aussagen von führenden Technikern der Finnair wäre es kein Problem, die DC-9 für viele Jahre "fit" zu halten, da die Struktur und Zelle in einem sehr guten Zustand seien und eine Aufrüstung des Cockpits, die Installation von neuen (sparsameren und erheblich leiseren) Triebwerken etc. eine gute Alternative zu einem völlig neuem Muster darstellen könnten.
In dieser Phase waren nicht nur Finnair an dieser Auffrischungskur für das Muster DC-9 interessiert, namentlich seien hier auch Air Canada, Iberia, Northwest und USAir genannt. (Alle genannten Fluglinien haben letztlich das Muster DC-9 sehr lange betrieben, wenngleich nur Northwest ab 1994 schrittweise sämtliche DC-9 unfassend und unfangreich technisch aufwertete, während andere Fluglinien wie Air Canada und Iberia im geringerem Maße ihre DC-9 modernisierten.) Das schwindende Interesse an der DC-9-X bei den erwähnten Fluggesellschaften setzte Finnair indirekt unter Druck. Schließlich erschien es logisch, dass Finnair in Europa nicht der einzige Kunde für diese Auffrischungskur der DC-9 sein und keine isolierte DC-9-Flotte einsetzen wollte. Auch nahm McDonnell Douglas so gut es ging ein wenig Abstand von zu viel Werbung für die DC-9X, denn die extrem gute Struktur der DC-9 und die Langlebigkeit des Musters sollte sich schon damals als ein wenig hinderlich für neue Modelle von McDonnell Douglas erweisen - namentlich der MD-95!
McDonnell Douglas war natürlich einerseits möglicherweise sehr geschmeichelt, dass es eine ganze Reihe von prominenten DC-9-Betreibern gab, die sich ernsthaft vorstellen konnten, dass ihre Flugzeuge für viele weitere Jahre eingesetzt werden könnten, aber dadurch fielen diese Fluggesellschaften andererseits indirekt wie direkt als mögliche Kunden des DC-9-Nachfolgers MD-95 aus und dies ist aus unternehmersicher Sicht nicht förderlich. Der Hersteller hoffte schon bei der MD-87 auf einen erheblichen Ersatzmarkt für DC-9, hat aber letztlich nur 75 Flugzeuge dieser verkürzten MD-80-Version tatsächlich absetzen können - dies aber zumeist bei vorhandenen DC-9-Betreibern und tatsächlich bei einigen Fluggesellschaften als Ersatz oder zumindest als Ergänzung der DC-9. McDonnell Douglas wollte dies sicherlich keineswegs bei der MD-95 nochmals wiederholen und forcierte deshalb mehr oder weniger die MD-95 in Gesprächen mit diversen Fluggesellschaften im Zusammenhang mit der DC-9-X als möglichen neuwertigen Ersatz.
Der damalige Vizepräsident von Finnair bezeichnete die Situation für Boeing und Airbus als entscheidenden Vorteil gegenüber McDonnell Douglas und Fokker. Boeing konnte nämlich - wie sich in späteren Jahren zeigen sollte - mit der geplanten Boeing 737-X-Familie eine 737-600/-700/-800 (und letztlich -900/900ER) anbieten, während Airbus ab Mitte der 1990er Jahre mit der A319/320/321 ein ebenfalls überaus attraktives Konzept anbieten konnte. Fokker konnte mit der Fokker 100 und Fokker 70 rein objektiv gar nicht mitbieten, selbst die projektierte Fokker 130 hätte kaum den Bereich abdecken können, den die Produkte von Airbus und Boeing in der Lage waren zu penetrieren.
1993 und 1994 waren also ganz im Zeichen eines möglichen Wechsels und während zuerst die "Boeing-Lösung" favorisiert wurde, so soll es 1994 eine mögliche Entscheidung für Airbus (A320-Familie) gewesen sein. Nach Abwägung aller Faktoren entschied sich aber Finnair am 29.11.1994, daß ihre "17 DC-9 durch 17 weitere (gebrauchte, aber jüngere) MD-82, MD-83 und MD-87 ersetzt werden sollen". Interessant mag sein, dass man auch die Version MD-87 einbezog, aber tatsächlich keine weiteren MD-87 tatsächlich zusätzlich einführte. Finnair sollte aber somit vorerst weiterhin Kunde und Betreiber von McDonnell Douglas bleiben und auch die vierte bestellte MD-11 sollte übernommen werden. Es sollten aber keine weiteren 17 MD-80 sein, die den vollständigen Ersatz der DC-9 ermöglicht hätten. Es wurden "nur" acht weitere MD-80 eingeführt, die ergänzend zu den 17 im Einsatz befindlichen MD-80 dann in einer Flottenstärke von 25 Flugzeugen resultierten. Reduziert wurde die DC-9-Flotte um die fünf Flugzeuge der Serie-40, während man an den 12 DC-9-50 festhielt und diese ab 1998 auch einem Aufrüstungsprogramm unterzog. Dazu gehörten u.a. Aufwertungen des Cockpits und neue Schalldämpfer für die JT8D-Triebwerke, damit die DC-9-50 die Lärmkategorie Chapter 3 erfüllen konnte.
Die Entscheidung zugunsten des kurzfristigen Ausbaus der MD-80-Flotte gab Finnair die Möglichkeit einer gewissen Verschnaufpause und die Zeit, weiterhin nach einer strategisch nachhaltigen Lösung
zu suchen.
Während Finnair ihre MD-80-Flotte ausbaute und die Ausmusterung der DC-9-40-Flotte umsetzen konnte, wurden aber schon die Weichen für einen dann doch radikalen und unweigerlichen Wechsel gestellt. Zwar war es 1996 und bis zum Frühjahr 1997 recht ruhig geworden, aber am 13.06.1997 gibt Finnair bekannt, daß die Fluggesellschaft zwölf Airbusse (A319/320/321) fest bestellt hat und Optionen für weitere 24 Flugzeuge unterzeichnet hat. Mit den zwölf fest bestellten Airbussen sollte zuerst der Ersatz der DC-9 eingeleitet werden. Die Lieferung des ersten Airbus sollte noch bis 1999 auf sich warten lassen, aber es war klar, dass diese Richtungsentscheidung ganz klar eine neue Flottenstruktur aufzeigen sollte. Finnair sah in der A320.Familie die wohl beste Gesamtlösung für ihre Bedürfnisse und es ist unzweifelhaft so, dass Finnair durch den Einsatz der A320-Familie die hohe Flexibilität sah, die es z.B. bei der MD-90 nicht geben sollte. Auch sprachen die hohe Passagierakzeptanz für die A320-Familie und der im Vergleich zur Boeing 737 breitere Rumpf für diese Modellreihe.
Am 27.02.1999 wurde der erste der bestellten Airbusse - eine A321 - an Finnair ausgeliefert und leitet den schrittweisen Abschied von der DC-9/MD-80 ein. Am 27.09.99 folgt die erste A319. Bis Ende 2000 werden die drei MD-87 von der aktiven Flotte abgezogen.
Die MD-90 wurde von McDonnell Douglas als modernisierte und erheblich leisere Ergänzung der MD-80 höchst wahrscheinlich der Finnair angeboten, aber Finnair hat offensichtlich in der MD-90 nicht die beste Lösung ihrer Bedürfnisse gesehen. Dies mag weniger an der nahezu unveränderten Zelle der MD-90 gelegen haben (dies wäre ja sogar ein erheblicher Vorteil für Finnair gewesen), sondern in der schlichten Tatsache, dass McDonnell Douglas nach ständig wechselnden MD-90-Wunschkonzepten letztlich nur eine Grundversion anbieten konnte: die MD90-30.
Die MD-95 sollte erst Jahre später nebenbei die Möglichkeit aufzeigen, dass man eine MD-90/-95-Familie anbieten konnte, aber diese beiden Modelle waren rückblickend gar nicht von Anfang an in dieser Form als Familie vorgesehen. Diese fehlende Familie war ein entscheidender oder sogar vernichtender Nachteil für die zivilen Produkte von McDonnell Douglas. Finnair hätte mit der MD-90 als Ersatz der DC-9 und Ersatz der MD-80 keinesfalls die operationelle Flexibilität aufbauen können, wie dies mit einer Flotte von A319/320 und A321 möglich wurde und mit der 737NG möglich gewesen wäre.
Die MD-95 sollte als Boeing 717 Jahre später noch einmal im Zusammenhang mit der Finnair als möglicher Ersatz der verbliebenen DC-9/MD-80-Flotte für den Einsatz auf Inlandrouten Erwähnung finden. Damalige Fachartikel sprachen davon, dass Finnair sich sogar vorstellen könnte, ihre zumeist für Inlandrouten verwendete MD-80-Flotte zu behalten und sogar wieder etwas auszubauen, da sich die MD-80 "vorzüglich (für diese Rolle) eignen würde". Eher moderat war offiziell das Interesse an der Boeing 717, die übrigens bei einer ihrer Verkaufstouren auch in Helsinki einen Stopp einlegte und der Finnair die Möglichkeit bot, dieses Modell genauer anzuschauen. In dieser Phase versuchte Boeing offiziell, von American Airlines retournierte Boeing 717 (aus Beständen der TWA) an interessierte Kunden zu vermitteln. Dazu gehörten in Europa neben Austrian Airlines auch Finnair. Finnair entschied sich aber für die Embraer 170 (und 190).
Finnair - historisch betrachtet ein wunderbarer Douglas-Kunde...
Über die DC-9 der Finnair wird mittelfristig auch ein Bereich eingerichtet.Zusammen mit der MD-80 prägte die DC-9 wie kaum ein anderes Modell das Image und den Flugbetrieb der Finnair ab den 1970ern.
An dieser Stelle sollen ein paar Fotos als Einstimmung dienen :-)
Zurück zu Finnair