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Die „Super 80“ (oder „Super Ottanta“ auf italienisch) prägte den Flugbetrieb und die visuelle Wahrnehmung der Alitalia maßgeblich über sehr viele Jahre. Die italienische Luftverkehrsgesellschaft wurde nicht nur der quantitativ größte Betreiber der MD-80 außerhalb der USA, sondern auch Betreiber der größten MD-80-Flotte in Europa.
Der Flugzeugtyp wird sehr bald nicht mehr Bestandteil der Alitalia sein - man kann also schon jetzt ein Resümee ziehen, die damalige Entscheidung zugunsten der MD-80 beleuchten, die recherchierten Informationen aufarbeiten und hier präsentieren.
Ende der 1970er und Anfang der 1980er gab es bei Alitalia nicht nur die verschiedenen Ansichten von Gewerkschaften zu begegnen, sondern auch um eine flottenpolitische Ausrichtung für die 1980er und 1990er. Zwar wurden die ersten Boeing 727-200Adv. erst 1976 in Dienst gestellt, aber bei Alitalia ging es nicht nur um neue Flugzeuge, sondern um eine grundsätzliche Neuaufstellung des Produkts und die Anpassung des Fluggeräts an verschiedene Marktbedürfnisse ihres großen Streckennetzes. Das kleinste Jet-Muster der Alitalia war seinerzeit die Douglas DC-9-32, die in hoher Stückzahl bei der Alitalia, ATI und bei Aermediterranea zum Einsatz kamen. Hierbei boten die DC-9 je nach Bedarf verschiedene Passagierkapazitäten – von Standardkonfigurationen mit 102 Sitzplätzen über 115 und später gar 123 Sitzplätzen in enger Bestuhlung. In diesem Zeitraum herrschte eine Rezession im europäischen Luftverkehr und diese Nachfrageschwäche spürten auch Alitalia. Gleichwohl konnten aber u.a. auf den Routen zwischen Nordamerika und Italien relativ gute Werte erzielt werden und das Staatsunternehmen sah potentielle Möglichkeiten, durch Frequenzerhöhungen und Neueinrichtung von Strecken neue Märkte zu erschließen und bestehende Märkte zu festigen. 1980 war auch das Jahr der Indienststellung der Airbus A300 bei Alitalia. Die A300 wurde zumeist auf stark nachgefragten Routen eingesetzt und setzte in diversen Bereichen neue Standards.
Alitalia entschieden sich im Juni 1970 für die DC-10 als Ergänzung ihrer Boeing 747 und Douglas DC-8 und es wurden vier DC-10 bestellt sowie Optionen für zusätzlich sechs McDonnell Douglas DC-10 unterzeichnet. Acht DC-10 kamen tatsächlich zur Auslieferung und ersetzten u.a. die Douglas DC-8 auf stärker nachgefragten Langstrecken. Obwohl Alitalia mit der DC-10 gute Einsatzerfahrungen hatte, entschied sich das Unternehmen 1979 (?), ihre Langstreckenflotte auf die Boeing 747 zu standardisieren. Alle DC-10 wurden bis schrittweise bis 1986 ausgemustert, die Option für zwei zusätzliche DC-10 offensichtlich storniert.
Die Einsatzerfahrungen mit der Airbus A300 seitens der Alitalia wurden in der Fachpresse als überaus positiv beschrieben und nährten die Hinweise, dass eine Entscheidung zugunsten der Airbus A310 fallen könnte. Diese Meldungen standen im Zusammenhang mit dem möglichen Ersatz der bestehenden DC-9- und Boeing 727-Flotte durch modernere oder sogar Flugzeuge modernster Generation. Eine kombinierte A300/310-Flotte wurde genauso als potentielle Möglichkeit angesehen wie eine Entscheidung zugunsten der Boeing 757. Artikel in Fachzeitschriften verwiesen zumeist darauf, dass Alitalia bei der Suche nach einem Ersatzmuster die Angebote von Airbus, Boeing und McDonnell Douglas evaluieren würde.
Diese beiden Produkte erweckten nach offizieller Darstellung in der Fachpresse das vermeintlich größte Interesse. Dies verwunderte auf dem ersten Blick wenig, bedenke man, dass es sich bei beiden Produkten seinerzeit um Neuentwicklungen handelte, die noch gar nicht ihren Flugbetrieb aufgenommen hatten und neue Technologien boten, die überaus wünschenswert waren. Die hohe Wirtschaftlichkeit beider Modelle waren sicherlich attraktive Faktoren, die eine stärkere Untersuchung seitens der Alitalia mehr als rechtfertigte.
Bei meinen Recherchen wurde aber auch deutlich, dass beide Modelle als insgesamt zu groß für die Bedürfnisse und als Ersatz der DC-9/Boeing 727 angesehen wurden. Dies wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass die A310 und Boeing 757 sich eher als Flugzeug mit 180-200 Sitzplätzen in normaler Konfiguration präsentierten. Die Boeing 757 und Airbus A310 würden aber deutlich attraktivere Kosten pro Sitzplatz bieten können – nur galt es, diese hohe Kapazität auch gesund – also ertragreich – zu besetzen, damit die Gesamtkosten sich nicht ins Gegenteil bewegen!
Trotz der insgesamt nur wenigen für mich zugänglichen Recherchequellen ist es meiner Ansicht nach sehr wahrscheinlich, dass Alitalia nicht erst ab 1981/82 die DC-9 Super 80 evaluierten, sondern diese gestreckte Version auf Basis der Douglas DC-9 als bestehender sehr loyaler Betreiber dieses zweistrahligen Modells mit Interesse verfolgten. Die bis dato längste DC-9 – die DC-9-50 – erweckte auch bei Alitalia nicht das durchschlagende Interesse und die DC-9 Super 80 sollte alleine durch ihre deutlich größere Passagierkapazität gegenüber der DC-9-30 sowie erheblich besseren Wirtschaftlichkeit gegenüber der Boeing 727-200Adv. einige wichtige Anforderungen der Alitalia erfüllen können. 1982 mehrten sich auch Hinweise auf eine mögliche Entscheidung seitens der Alitalia für die DC-9 Super 80, obwohl diese Meldungen auch im Zusammenhang mit einer Entscheidung gegen die Super 80 und für ein „Flugzeug neuester Generation“ erschienen. Die Super 80 konnte aufgrund ihrer Herkunft auf Basis der DC-9 nicht gemeint sein. Die Super 80 würde aber deutlich lärmarmer operieren können als die Boeing 727 sowie DC-9 und sich sogar als Ersatz der Boeing 727 eignen, ohne eine enorm vergrößerte Sitzplatzkapazität anzubieten. Die Entwicklung der DC-9 Super 82 (also MD-82) vergrößerte höchst wahrscheinlich auch bei Alitalia das Interesse an der MD-80. Die Super 82 konnte gegenüber der Super 81 (MD-81) eine teilweise erhebliche Steigerung der Leistungsfähigkeit bieten und neben einer höheren Nutzlast auch mehr nutzbare Reichweite bieten. Die DC-9 Super 81 mag die Bedürfnisse der ersten Kunden mehr als genügt haben, aber es gab eine ganze Reihe von interessierten Fluggesellschaften aus den USA und aus Europa, die eine deutlich leitungsfähigere Super 80 wünschten. Die Aussage von McDonnell Douglas, dass die Super 82 durch ihre leistungsstärkeren Triebwerke nun auch ab Denver (einem hochgelegenen Flughafen) mit voller Nutzlast eine bestimmte Streckenlänge durchführen könnte, zeigte indirekt nur auf, dass dies der Super 81 nicht möglich wäre.
Am 03. Juli 1982 meldet die „Flight International“, dass Vertreter von McDonnell Douglas einen Besuch nach Italien unternommen hätten und es u.a. um eine Angebotsunterbreitung für „30 DC-9 Super 80 als Ersatz der DC-9 bei Alitalia und ATI“ ginge. Details werden logischerweise nie an die Öffentlichkeit gelangen, aber es ist bei industrieller Zusammenarbeit oftmals so, dass es zu zähen Verhandlungen über das Produkt und auch die Finanzierung gab. Auch ging es um (weitere) Zusammenarbeit italienischer Zulieferer von Bauteilen für Flugzeuge von McDonnell Douglas, so zum Beispiel die Firma Aeritalia/Alenia.
Am 13. November 1982 wird in der Fachpresse gemeldet, dass Alitalia Anfang November eine Absichtserklärung für eine Bestellung für 30 DC-9 Super 80 unterzeichnet hätte, eine Umwandlung in eine Festbestellung aber Genehmigungen seitens der italienischen Regierung und der US Eximbank mit der Teilfinanzierung bedürften. McDonnell Douglas und Alitalia zeigten sich aber sehr zuversichtlich, dass diese Absichtserklärung auch umgesetzt werden würde. Die vorgesehene Bestellung wurde in einem 3-Jahresplan der staatlichen Holding IRI vorgestellt, aber es wurde bestätigt, dass die IRI schon die Flottenbedürfnisse der Alitalia diskutierte, bevor Alitalia die Erlaubnis für die Abgabe der Absichtserklärung geben konnte. Das Auftragsvolumen wurde mit mindestens „einer Milliarde US $“ angegeben.
Laut offiziell zugänglichen Quellen ersuchten Alitalia in dieser kritischen Phase bessere finanzielle Konditionen seitens der Eximbank. Die Bank soll der Alitalia einen Finanzierungskredit in Höhe zwischen 42,5 und 62,5% des Gesamtfinanzierungsvolumens angeboten haben, aber Alitalia sollen modifizierte Konditionen ersucht haben. Gleichwohl bestätigten Alitalia, dass nicht der Katalogpreis von (damals) 23,5 Millionen US $ für eine MD-80 zu begleichen sei, also preislich ein Entgegenkommen zugunsten der Alitalia erzielt werden konnte.
Die Einführung der ersten Super 80 (MD-82) sollte ab Dezember 1983 mit zwei Flugzeugen erfolgen, gefolgt von elf Flugzeugen im Jahr 1984, neun Super 80 im Jahr 1985 sowie acht Flugzeugen 1986. Alitalia sollte übrigens zu dem Betreiberkreis der MD-80 gehören, die bis dato an der Bezeichnung "Super 80" festhalten sollten, obwohl Mitte 1983 die Bezeichnung "MD-80" vom Hersteller als Standard definiert wurde. Selbst im Jahr 2011 bezeichnen Alitalia weiterhin ihre MD-80 als "Super 80".
Ende Januar 1983 wird gemeldet, dass Alitalia ihre Absichtserklärung für 30 Super 80-Flugzeuge in eine Festbestellung umwandeln konnten und eine Option für zehn zusätzliche Flugzeuge vereinbart worden wäre. Die neue Option wurde von Alitalia sowie McDonnell Douglas weder bestätigt, noch dementiert. Die Festbestellung war das Ergebnis monatelanger Verhandlungen und wurde seitens des Flugzeugherstellers als „wichtigste Bestellung in der Geschichte des Unternehmens“ bezeichnet. Bekannt wurde außerdem, dass die Finanzierung zu 85% durch die Eximbank erfolgen würde und die restliche Finanzierung durch Alitalia und IRI erfolgen würde.
McDonnell Douglas vereinbarte außerdem die Rücknahme (und Weiterverkauf) von 18 Boeing 727-200Adv., drei DC-10-30 sowie vier DC-8. Außerdem konnten Alitalia sechs DC-9-30 an McDonnell Douglas verkaufen, die aber nach einer „Umrüstung durch Aeritalia“ weiterhin bei Alitalia auf Leasingbasis zum Einsatz kommen sollten.
Die Super 80 ersetzte bei Alitalia die Boeing 727-Flotte bis 1986, während einige andere Quellen 1987 angeben. Alitalia trennten sich somit erheblich früher von diesem Flugzeugtyp als andere bekannte Nutzer dieses Flugzeugtyps.
Die Super 80 wurde als Ersatz der Douglas DC-9-32 auf Kurz- und Mittelstrecken gepriesen, ersetzte aber die DC-9 nicht auf 1:1-Basis. Tendenziell wurde eher die Möglichkeit umgesetzt, stark nachgefragte Routen von DC-9-32 auf MD-82 umzustellen und mit den frei gewordenen DC-9-32 neue Streckenpaare einzurichten oder Frequenzen zwischen bestehenden Zielorten zu erhöhen. Diese Entwicklung erklärt auch, warum die stetig wachsende Super 80-Flotte weiterhin durch eine respektable DC-9-32-Flotte ergänzt wurde und der Anblick dieser Flugzeugtypen bei Alitalia sehr prägend war.
Im Juni 1986 bestellten Alitalia 25 MD-87. Dieser Flugzeugtyp sollte zwischen 1993 und 1996 die verbliebenen DC-9-32 ersetzen und die MD-82-Flotte ergänzen. Bei Übernahme von 25 MD-87 wären Alitalia der größte Betreiber dieser Version geworden, aber die gesamte Bestellung wurde in solche für die MD-82 umgewandelt. Durch Integration der ATI in der ersten Hälfte der 1990er wurde dann zeitweise 90 MD-82 eingesetzt und es wird gerne darüber hinweggesehen, dass Alitalia noch 1995 fabrikneue MD-82 übernahmen!
Die Super 80 erwies sich als Standardarbeitspferd der Alitalia und prägte wie kaum ein anderer Flugzeugtyp in ihrer Einsatzzeit den Flugbetrieb dieser Fluggesellschaft. Zwar wurden die in den Medien genannten finanziellen Probleme bei Alitalia relativ oft im Zusammenhang mit der „alternden MD-80-Flotte“ in Zusammenhang gebracht, aber derartige Erklärungsversuche halte ich für sehr stark vereinfacht und populistisch. Die sehr große MD-80-Flotte hat aufgrund ihrer Qualitäten und vieler zu berücksichtigender Faktoren sicherlich der Alitalia mehr Spielraum gegeben als man glauben mag.
Die verbliebene Super 80-Flotte wird sehr wahrscheinlich 2011 die Flotte verlassen. Da die aktuelle Alitalia nur noch bedingt etwas mit der „alten“ Alitalia zutun hat, spielt die MD-80 auch nur noch eine untergeordnete Rolle. Insgesamt wird die Ausmusterung von der großen Mehrheit begrüßt (und auch schon seit Jahren gefordert) und auch herbeigesehnt.
Für eine kleinen Minderheit - zu der ich mich zähle - werden die Super 80 der Alitalia einen sehr wichtigen Platz in der Geschichte der MD-80 einnehmen und die historischen Leistungen dieses Flugzeugtyps sind größer als zumeist eingeräumt.