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Zum 01. April 2012 wollten nach ursprünglichen Plänen die Aerolineas Argentinas und Austral Lineas Aéreas im Zuge ihrer Flottenharmonisierung ihre letzten MD-80 verabschieden. Die Ausmusterung bei Austral sollte eine Einsatzzeit von über 31 Jahren, die bei Aerolineas Argentinas immerhin von fast 20 Jahren beenden.
Tatsächlich wurden offenbar die Ausmusterung aber zeitlich etwas verögert vom 09. auf den 10. April 2012 umgesetzt. Austral haben einigen Informationen nach ihre letzte MD-80 in dieser Nacht nach einem Linienflug aus Rio Gallegos nach Buenos Aires (Aeroparque) ausgemustert. Es soll sich um Flug AU2883 mit Ankunft um 06:25 Uhr in Buenos Aires gehandelt haben. MD-80. com werden im Zusammnehang mit diesem letzten Flug Informationen sammeln.
Austral tätigten im April 1979 eine Bestellung über fünf MD-81. Der geplante Einsatz von MD-80 sollten der Austral eine erhebliche Erweiterung ihrer Kapazitäten ermöglichen. Die sehr frühe Entscheidung zugunsten der damals noch als „DC-9 Super 80“ vermarkteten MD-80 war in mehrfacher Hinsicht historisch bemerkenswert. Austral wurde somit der erste südamerikanische und argentinische Kunde für diesen Flugzeugtyp. Auch erscheint nicht unerheblich, dass Austral zuvor kein Kunde von McDonnell Douglas waren. Der Hersteller gewann somit nicht nur einen frühen, sondern auch einen Neukunden!
Die erste McDonnell Douglas MD-81 wurde am 08. Januar 1981 an Austral ausgeliefert. Die jeweils 155-sitzigen MD-81 ergänzten damals und noch bis Mitte der 1990er Jahre eine Flotte von BAC One-Eleven. Diese charakteristische Flottenstruktur war ein sehr vertrauter Anblick in Argentinien und durch die Tatsache auffällig, dass man mit der BAC One-Eleven eines der lautesten Flugzeugmuster und mit der DC-9 Super 80 eines der damals lärmärmsten Flugzeuge parallel einsetzte.
Austral plante den Aufbau einer Flotte von fünf MD-81, nahm aber vorerst nur drei MD-81 ab (N10022, N10027 & N1003G), ermöglichten aber Austral einen erheblichen Wachstumsschub und Einrichtung neuer Streckenpaare sowie Kapazitätserweiterungen auf vorhandenen Routen. Die drei MD-80 waren in der ersten Hälfte der 1980er das modernste Fluggerät in ihrer Kategorie innerhalb Argentiniens. Im Zeitraum 1985 bis 1987 erwarb die Holding "Cielos del Sur" die Mehrheit an Austral. Die politischen und wirtschaftlichen Umstände in Argentinien hatten seit jeher auch Einfluss auf argentinische Fluggesellschaften. Zunehmend erschwerten diverse Faktoren einen wirtschaftlichen Flugbetrieb.
Erst im Jahr 1989 führte Austral zwei weitere MD-80 ein; es handelte sich hierbei um die MD-83 N509MD und N907MD. 1991 bestellte Austral eine weitere MD-83 und vier MD-88. Die zusätzliche MD-83 versah mehrfach und über einen längeren Zeitraum ihren aktiven Liniendienst bei Aerolineas Argentinas, während die MD-88 von Anfang bei Aerolineas Argentinas zum Einsatz kamen, diese Lieferung somit transferiert wurde.
Aerolineas Argentinas wurde historisch betrachtet eher recht spät zu einem Betreiber der MD-80 und für einige Jahre waren die MD-83/-88 die modernsten Flugzeuge innerhalb der Flotte. Die MD-80 ermöglichten dem Unternehmen primär den Ersatz der Boeing 727. Für McDonnell Douglas bedeutete die Auslieferung dieser MD-80 einen weiteren Verkaufserfolg in Argentinien. 1992/93 übernahm Aerolineas Argentinas insgesamt sechs MD-88 und diese wurden auf Kurz- und Mittelstrecken national wie international eingesetzt und ergänzten u.a. Boeing 737 und 727. Einigen Quellen nach wurden vier der sechs MD-88 ursprünglich von Austral bestellt, kamen aber alle bei Aerolineas Argentinas recht "kurzfristig" zur Auslieferung. Zusätzlich zu den zwei weiteren fabrikneuen MD-88 wurde zusätzlich eine MD-83 eingesetzt und diese von Austral geleast und soll einigen Angaben nach das erste MD-80-Flugzeug bei Aerolineas Argentinas gewesen sein. Die MD-88 boten in den ersten Betriebsjahren jeweils 155 Passagieren Platz. Später boten die MD-88 die Sitzkonfiguration C12Y131, während die MD-83 mit C12Y135 konfiguriert waren.
Im Zeitraum 2005/06 entschieden sich die Mehrheitseigner von Aerolineas Argentinas/Austral, den Flugbetrieb zu straffen und effizienter zu gestalten. Dies führte dazu, daß in Zukunft der Flugbetrieb sämtlicher MD-80 der Austral unterstellt werden, während Aerolineas Argentinas sich für den Betrieb der Boeing 737-200/-500 verantwortlich zeigen sollte. Die Transferierung der Boeing 737-200Adv.-Flotte von Austral zur 737-Flotte von Aerolineas Argentinas erfolgte im Zeitraum 2006/07 und am 31. August 2007 wurde die letzte Boeing 737 der Austral an Aerolineas abgegeben. Unterdessen setzte Aerolineas Argentinas temporär die MD-88 auch auf langen Flügen ab Buenos Aires via Lima und Bogota nach Caracas ein.
Die MD-80 spielten bei Austral somit und fortan die einzige tragende Rolle im Kurz- und Mittelstreckenverkehr und zwischen 2005 und 2009 sollte die Flotte schubweise weitere Zuwächse erfahren und auch ein neues Farbschema erhalten. Diese Erweiterungen ergaben sich durch den notwendigen Ersatz von Boeing 737-200Adv., aber auch neuen Zuständigkeitsbreichen für Austral bzw. Streckenübertragungen seitens der Aerolineas Argentinas. Weitere MD-83 aus Beständen der Flying Finn und Jetsgo sollten ab Ende 2005 die Flotte ergänzen, aber auch drei MD-88, die von Aerolineas an Austral transferiert wurden. Bis Ende 2006 die Flotte auf zwei MD-81, elf MD-83 und drei MD-88 - also 16 Exemplare ausgebaut. Zwei weitere MD-88 der Aerolineas Argentinas schienen derweil bei AirPlus Comet im Einsatz zu stehen. Eine erste MD-81 wurde unterdessen von Austral aus dem Flugbetrieb gezogen. Konträr zu den Angaben für Ende 2006 wird im April 2007 die Flottenstärke mit zwei MD-81, einer MD-82, neun MD-83 und drei MD-88 angegeben.
Die Flottenstärke wird im Frühjahr 2009 mit einer MD-81, zwölf MD-83 und neun MD-88 angegeben. Die zusätzlichen MD-88 stammen aus Beständen der AeroMexico. Obwohl auf dem ersten Blick der Ausbau einen positiven Ersteindruck erwecken, so existierten ausreichend Meldungen über immer wiederkehrende Streikaktivitäten und Mangel an Ersatzteilen bzw. in der technischen Betreuung der Flugzeuge, die in nicht flugtüchtigen Flugzeugen resultieren und zu einer somit nicht zu 100% einsatzbereiten Flotte. Zeitweise sollen bis zu sechs (?) MD-80 abgestellt gewesen sein, da schlicht die Wartung nicht so erfolgen konnte, wie geplant. Gleichzeitig zeigten sich Austral weiterhin für einen großen Anteil des Linienbetriebs innerhalb Argentiniens verantwortlich.
Am 21. Juli 2008 entschied die argentinische Regierung eine (Wieder)-Verstaatlichung der Fluggesellschaften Aerolineas Argentinas und Austral durch die Übernahme von 99,4% der Anteile an AR/AU zu einem nicht genannten Kaufpreis. Die verbliebenen 0,6% werden weiterhin von Mitarbeitern der Fluggesellschaften gehalten. Am 03. September 2008 stimmte der Senat der Nationalisierung mehrheitlich zu.
Im Verlaufe des Jahres 2011 wird deutlich, dass die letzten MD-80 bei Aerolineas Argentinas durch Boeing 737NG und bei Austral mit 20 Embraer 190 umgesetzt werden soll. Die argentinische Presse berichtete im Spätsommer 2011 über einen Disput zwischen Austral und ihren Piloten im Zusammenhang mit der aus 20 Flugzeugen bestehenden Embraer 190-Flotte. Mittlerweile sollen bis zu fünf Embraer 190 nicht einsatzbereit gewesen sein, da nicht ausreichend Piloten vorhanden waren. So eine Problematik gab und gibt es auch bei anderen Unternehmen, aber bei Austral sind die Ursachen etwas differenzierter.
Knapp über 400 Piloten beschäftigt die Austral und historisch begründet ist es, dass diese Piloten zuvor sämtlich auf die MD-80-Serie geschult wurden. Für die Erlangung der Embraer 190-Lizenzen sollten die Piloten für ihre Umschulungen in die USA, nach Brasilien und sogar Europa reisen. Offenbar wollen dies ein erheblicher Anteil der Piloten nicht. Es ist offensichtlich so, dass zwischen den Piloten und der Geschäftsführung der Austral eine unterschiedliche Haltung zum Flugzeugtyp Embraer 190 herrscht. Die Piloten halten mehrheitlich die Embraer 190 mit ihren jeweils 96 Sitzplätzen (8 Business und 88) für ungeeignet für das Anforderungsprofil der Austral, die bisher auf die deutlich größere MD-80-Serie basierte, die nicht nur eine erheblich höhere Passagierkapazität bietet, sondern auch ein deutlich größeres Frachtvolumen. Möglich ist meiner Meinung aber auch ein psychologischer Nebeneffekt: der Umstieg von der MD-80 auf die Embraer 190 könnte von der Mehrheit der Piloten als „Rückschritt“ auf ein kleineres (technologisch erheblich moderneres) Flugzeug angesehen werden, auch finanziell könnte es Nachteile geben. Dies mag auch erklären, warum die Piloten sich dafür aussprechen, die MD-80 auf neuen Routen außerhalb Argentiniens zu verwenden - also weiterhin einzusetzen. Dies widerspricht aber der Geschäftsstrategie von Austral, die ihren Markt mittlerweile ausschließlich innerhalb Argentiniens sieht.
Offiziell melden die meisten Quellen im Internet, dass ab 01. März 2012 - also dem letzten Betriebsmonat der MD-80 - bei Austral nur noch vier MD-80 im Einsatz stehen, während bei Aerolineas Argentinas nur noch drei MD-80 eingesetzt werden. Die Ausmusterung dieser sieben MD-80 wird innerhalb der nächsten Wochen erfolgen, wobei mir aber nicht bekannt ist, wie viele Flugzeuge innerhalb der nächsten Wochen aus dem Verkehr gezogen werden sollen und welches Flugzeug tatsächlich dann bei Aerolineas Argentinas bzw. Austral den finalen Liniendienst umsetzen wird. Mir ist außerdem nicht bekannt, ob Festivitäten geplant sind.
Mit den Ausmusterungen endet eine sehr lange Epoche im argentinischen Luftverkehr. Austral werden zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung der langjährigste Betreiber von MD-80 gewesen sein. Dieser Flugzeugtyp bewährte sich bei beiden Fluggesellschaften sehr gut und erfüllte die in diese Muster gesetzten Erwartungen. Sehr zuverlässig, sehr unspektakulär und somit für die Mehrheit der Öffentlichkeit unbeachtet setzte die MD-80-Serie bei Austral und Aerolineas Argentinas zahllose Dienste routiniert um und verdient wahrlich das Prädikat "Arbeitspferd". Leider erlebte Austral aber den schlimmsten Moment, den eine Fluggesellschaft erleiden kann: eine ihrer MD-81 (N1003G) stürzte am 12.06.1988 im Landeanflug in der Nähe des Flughafens von Posadas ab. Alle 22 Insassen starben. Das Flugzeug kam als Flug AU046 aus Resistencia.
Wenngleich dieses Unglück einen Schatten auf die Einsatzzeit wirft, so sollte das positive Gesamtbild dennoch stark überwiegen. Erfreulicherweise setzen einige kleinere argentinische Luftverkehrsgesellschaften weiterhin die MD-80-Serie ein.
Anfang März 2012 präsentierte sich überraschend die wohl einzige MD-80 im neuen Farbkleid der Austral:
Sollten Informationen über die letzten geplanten Einsätze der MD-80 bei Aerolineas Argentinas und Austral bekannt werden, planen MD-80.com die Einrichtung einer weiteren Seite.
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