Zurück zur Ebene "Unglücke"

Alaska Airlines AS261

MD-83/Courtesy: md80design
MD-83/Courtesy: md80design

Am 31. Januar 2000 stürzte eine McDonnell Douglas MD-83 der Alaska Airlines vor der kalifornischen Küste in den Pazifischen Ozean. Alle 88 Insassen kamen ums Leben. Die Unglücksursache deckte einen mechanischen Defekt auf, der aufgrund eklatanter Defizite bei der technischen Betreuung für die MD-80-Serie zurückzuführen war.

Das Flugzeug

Bei dem Flugzeug handelte es sich um eine 1992 an Alaska Airlines ausgelieferte McDonnell Douglas MD-83 mit der Registration N963AS. Höchst wahrscheinlich wurde damals die Konfiguration F12Y128 (140 Sitzplätze) in dieser MD-83 verwendet. Alaska Airlines setzte damals den Flugzeugtyp MD-80 neben der Boeing 737/737NG ein und gehörte zusammen mit der Finnair zu den Erstkunden der MD-83.

Flugverlauf

Geplant war die Umsetzung des Linienflugs AS261 von Puerto Vallarta (Mexiko) via San Francisco nach Seattle. Neben den zwei Piloten befanden sich 83 Fluggäste und drei Kabinenmitglieder an Bord.

 

Für 47 Fluggäste und die Kabinencrew sollte Seattle auch der Zielflughafen sein, für die anderen 36 Personen und die Cockpitbesatzung war San Francisco Zielort. Unter den Fluggästen befanden sich zwölf Passagiere, die arbeitstechnisch im Zusammenhang mit Alaska Airlines sowie deren Regionaltochter Horizon Air standen. Puerto Vallarta war ein Zielort von Alaska Airlines mit stark touristischem Charakter. Die meisten Gäste waren sicherlich aus privaten Gründen in Mexiko.

 

Um 13:37 Uhr hob die MD-83 in Puerto Vallarta ab und setzte ihre Steigflug auf die vorgesehene Reiseflughöhe von 31.000 Fuß um. Knapp zwei Stunden nach dem Abflug kontaktierte die Cockpitbesatzung die Einsatzzentrale und das Wartungszentrum von Alaska Airlines in Seattle und berichtete über Probleme mit einen eingeklemmten Höhenleitwerk, deren Trimmung nicht mehr reagierte. Die falsch eingestellte Trimmung sorgte dafür, dass die MD-83 buglastig eingestellt und dadurch über die Steuersäule die Nase des Flugzeugs nach oben gezogen werden musste, damit das Flugzeug weiterhin eine normale Fluglage beibehielt. Die nicht funktionierende Trimmung verhinderte eine optimale Stabilisierung und ideale Ausrichtung des Flugzeugs im Reiseflug.

 

Weder die Cockpitbesatzung, noch die Wartungsmitarbeiter konnten eine Ursache/Lösung für das Problem finden. Wiederholte Versuche, die Trimmung über alternative Systeme wieder korrekt zu bedienen, blieben erfolglos. Mit der Einsatzzentrale wurde besprochen, ob eine Ausweichlandung in Los Angeles umgesetzt oder ein Weiterflug nach San Francisco durchgeführt werden sollte. Die Besatzung entschied sich für eine Ausweichlandung in Los Angeles.

Erster Sturzflug

Um 16:09 Uhr gelang es der Cockpitbesatzung, die blockierte Trimmung mit dem Hauptsystem der Trimmung zu lösen. In diesem Moment reagierte aber die MD-83 mit einer „extremen Nase unten“-Position und das Flugzeug nahm einen Sturzflug ein. Innerhalb von knapp 80 Sekunden stürzte die MD-83 von einer Höhe von 31.000 Fuß auf 23.000 bis 24.000 Fuß. Nur mit enormen manuellen Muskelkräften gelang es der Besatzung, den Sturzflug mit 6.000 Fuß pro Minute zu stoppen und die MD-83 in einer Höhe von 24.400 Fuß auszupendeln.

 

Die Piloten meldeten ihre Probleme an die Luftaufsichtskontrolle (ATC) in Los Angeles. Die ATC fragte, ob die Besatzung Vorbereitungen für eine Landung in Los Angeles treffen würden, doch die Piloten gaben nur zu verstehen, dass man auf eine niedrigere Höhe sinken, die Kontrolle des Flugzeug wieder erlangen möchte und dies „über der Bucht“ (also vor der Küste Kaliforniens) geschehen sollte. Dies wird als Hinweis gesehen, dass die Besatzung ein mögliches unkontrolliertes Manöver über besiedeltem Gebiet verhindern wollten.

 

Der Sinkflug wurde fortgesetzt und die MD-83 für eine Landung in Los Angeles vorbereitet.

Zweiter Sturzflug und Aufschlag auf dem Meer

Um 16:19 Uhr zeichnete das Cockpit-Aufzeichnungsgerät (CVR) vier charakteristische „Schläge“ auf, 17 Sekunden später folgte ein „extrem lautes Geräusch“. Das Flugzeug nahm eine Sturzflugposition ein. Mehrere Piloten anderer Flugzeuge im Luftraum beobachteten dieses Manöver der MD-83. ATC versuchte Alaska 261 zu kontaktieren, während die Besatzung eines Flugzeugs der Skywest Airlines mitteilte, dass das Flugzeug (die MD-83) „außer Kontrolle sei“. Das CVR nahm noch ein „Mayday“ vom Kopiloten an die ATC auf, es folgten offiziell keine weiteren Audioaufzeichnungen mit Kommunikation zwischen Besatzung und ATC.

 

Das CVR zeigte dann auf, dass die Besatzung verzweifelt versuchte, den Sturzflug zu beenden und die Kontrolle wiederzuerlangen. Unmöglich die Bugnase wieder anzuheben, versuchte die Besatzung dann möglicherweise, die MD-83 kopfüber zu fliegen. Die Kontrolle konnte nicht wieder erlangt werden. Innerhalb von 81 Sekunden raste die MD-83 rund 18.000 Fuß mit Sinkraten von bis zu 13.300 Fuß (!) dem Meer entgegen. Das Flugzeug schlug mit hoher Geschwindigkeit auf der Meeresoberfläche auf. Bei Aufschlag starben sofort alle Insassen und das Flugzeug wurde total zerstört. Der Aufschlag wurde von mehreren anderen Piloten beobachtet. 

Bergung

Knapp 85% des Wracks wurden im Zuge der Ermittlungen aus dem Meer geborgen. Auch der Flight Data Recorder (FDR) und CVR konnten erfolgreich geborgen und für Ermittlungen herangezogen werden. Aufgrund der Charakteristik des Absturzes waren die Opfer bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und konnten meinen Informationen nach größtenteils nicht geborgen werden bzw. nur über DNA-Untersuchungen kleiner Fragmente die Identität geklärt werden.

Courtesy: NTSB
Courtesy: NTSB

Untersuchung

Recht schnell konzentrierte sich die Ermittlung auf das Leitwerk, da von dieser Komponente auch das Steuerproblem herrührte. So wurden auch Bestandteile des Leitwerks und noch wichtiger – der Trimmung geborgen. Hier war besonders die Metallstange inklusive Mutter der Trimmung mit Trimmungsgewinde aufschlussreich. Hier fand man starke Abnutzungsspuren. In späteren Untersuchungen stellten die Ermittler fest, dass vor dem Abflug von Flug 261 dieses Gewinde (aufgrund der häufigen Bewegungen) zu 90% abgenutzt war. Als das Gewinde auf dem Unglücksflug versagte, lag das Höhenleitwerk aerodynamisch lose bzw. frei und wurde ruckartig nach oben bewegt. Folge war eine starke Buglastigkeit, die den ersten Sturzflug verursachte. An der Trimmungsstange befand sich noch eine kleinere Mutter, die als Begrenzung der Trimmungsbewegungen diente. Diese Sicherung versagte aufgrund starker mechanischer Belastungen und die Besatzung verlor abermals die Kontrolle und der zweite Sturzflug und Aufschlag nahm ihren Lauf.

 

Das NTSB stellte fest, dass die (normale) Abnutzung der Trimmung seit der letzten technischen Überholung erheblich stärker war als normal. Das NTSB sammelte mögliche Gründe für diese Auffälligkeit. Der von Boeing genehmige Wechsel des Schmierfetts wurde untersucht und als Ursache ausgeschlossen. Später entdeckte man, dass gar keine wirksame (ausreichende) Schmierung stattfand. Das NTSB untersuchte die Gründe für diese Feststellung und fand heraus, dass der zuständige Mechaniker bei dieser besagten MD-83 die Wartung dieser Trimmungskomponente in nur einer Stunde umsetzte, obwohl der Hersteller McDonnell Douglas vier Stunden für die Wartung der Trimmung einkalkulierte. Das NTSB kam aber ebenfalls zum Schluss, dass es „unmöglich sein kann“, dass in den vier Monaten zwischen letzter Wartung und dem Absturz eine so starke Abnutzung erfolgten konnte.

Courtesy: NTSB
Courtesy: NTSB

Zur Überwachung der Abnutzung des Trimmungsgewindes gab es einen „end play check“. Das NTSB forschte, warum bei diesem Check der erhebliche Verschleiß nicht entdeckt wurde. Untersuchungen ergaben, dass Alaska Airlines selbst erfundene Werkzeuge für diese Überwachung benutzte, die nicht von McDonnell Douglas genehmigt wurden. Die Ergebnisse waren zu ungenau. Es besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass bei Verwendung von richtigen Werkzeugen die starke Abnutzung des Gewindes entdeckt worden und die betroffenen Komponenten ausgetauscht worden wären.

 

Das NTSB untersuchte auch die grundsätzliche Wartung von Alaska Airlines. Hier konnte festgestellt werden, dass mit Genehmigung der FAA die Intervalle bei der technischen Überholung dieser Komponenten zwischen 1985 und 1996 schrittweise erhöht und auch die Intervalle der „end play checks“ ausdehnt wurden. Dies diente (neben anderen „Optimierungen“) systemweiten Kosteneinsparungsmaßnahmen. Auch Alaska Airlines suchten fortwährend nach Möglichkeiten, ihre Betriebskosten und hier auch die Wartungskosten deutlich zu senken. Hier schien tatsächlich eine behördliche Erlaubnis erfolgt zu sein. Gleichwohl war die NTSB der Meinung, dass Alaska Airlines hätte beobachten müssen, ob diese Streckung von Intervallen negative Auswirkungen auf die technische Sicherheit und den Zustand dieser Komponenten bedeutete oder nicht. Niederschmetternd wurde außerdem geäußert, dass die Wartung und die Ausbildung des Wartungspersonals bei Alaska Airlines „seit mehreren Jahren mangelhaft sei“. Hier stellt sich automatisch die Frage, wie die Aufsichtsbehörden diese Zuständen haben zulassen können.

Folgerungen

Die wahrscheinlichen Ursachen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

 

  • Die Erhöhung der Intervalle bei der technischen Kontrolle der Trimmung mit Erlaubnis der FAA erhöhte den Verschleiß
  • Die Streckung der Kontrolle der „end play checks“ mit Erlaubnis der FAA erhöhte signifikant die Möglichkeit, dass der Verschleiß nicht früh genug erkannt worden ist
  • Das Trimmungssystem wurde als „nicht versagenssicher“ kritisiert. Es handelt sich also nicht um ein fail safe-Design, wo durch Versagen einer Komponente ein alternatives System den Defekt kompensieren kann, sondern eher um ein safe life-Design, wo das Versagen eines solchen Strukturteils fatale Folgen bedeutet. Mir ist auf Anhieb nicht bekannt, ob alternative Konkurrenzmodelle in diesem Bereich mehrfach redundante Systeme bieten oder ebenfalls nur ein System zur Verfügung steht.

 

Gesichert scheint zu sein, dass bei korrekt ausgeführter Wartung und Behandlung das Trimmungssystem der MD-80 (und DC-9, MD-90 sowie Boeing 717) unproblematisch ist und sich bewährt hat. Erst die eklatanten Defizite bei der technischen Betreuung führte zum Versagen der Trimmung. 

Imageproblem

Das Image von Alaska Airlines und der MD-80 litt nach dem Absturz. Die FAA ordnete Kontrollen bei allen in den USA registrierten MD-80 an. Bei mehreren MD-80 der Alaska Airlines wurden ebenfalls stark abgenutzte Trimmungsgewinde entdeckt. Auch weltweit wurden MD-80 untersucht, wobei hier (nach meinem Kenntnisstand) keine Auffälligkeiten entdeckt wurden, wohl auch, weil sich die Unternehmen schlicht an die Herstellerempfehlungen von McDonnell Douglas hielten. In Deutschland überprüften auch Aero Lloyd ihre MD-83 und konnten keine Auffälligkeiten feststellen. Alaska Airlines haben meiner Ansicht nach sehr bewusst nach dem Absturz ihrer MD-80 und bis zur Ausmusterung des Modells im Jahre 2008 auf Marketing unter Verwendung des Flugzeugtyps mehrhetilich verzichtet. Dies fällt umso mehr auf, da Alaska Airlines zuvor u.a. die elegante Form der MD-80 sehr wirksam für Werbung nutzte.

Courtesy: Alaska Airlines
Courtesy: Alaska Airlines

Zusatzinformationen

Für die Opfer wurde u.a. ein Mahnmal in Port Hueneme/Kalifornien erreichtet. Es liegt recht nahe am Meer.

 

Beide Piloten wurden postum von der „International Air Line Pilots Association“ für ihre fliegerischen Leistungen ausgezeichnet.

 

Es existieren nur sehr wenige und zumeist bewusst nicht veröffentliche Informationen, was sich vor dem Absturz in der Kabine der MD-83 abspielte. Im Internet kursierten vor einigen Jahre nicht verifizierbare, aber glaubhafte Informationen aufgrund von angeblichen Audioaufnahmen des CVR, dass die Kabinenbesatzung bis zum Aufprall in der ausweglosen Situation versuchte, die Passagiere „zu beruhigen“. Hier wurde u.a. erwähnt, dass während der Sturzflüge mindestens ein Flugbegleiter über die Bordsprechanlage neben den obligatorischen Notfallanweisungen auch Gebete sprach, möglicherweise, um die Fluggäste in irgendeiner Art und Weise zu beruhigen.

Courtesy: Alaska Airlines
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